Künstliche Intelligenz
Ethik First
Digitale Transformation mündet direkt in eine neue Phase, nämlich die der Künstlichen Intelligenz. Sie wäre nicht denkbar ohne eine Omniverfügbarkeit von Daten aller Art, ohne soziale Medien und Internet of Things (IoT), ohne Vernetzung von Gesellschaft und Verwaltung, ohne Industrie 4.0.
Wie unterscheidet sich künstliche von echter Intelligenz?
Die perfekte KI ist dann da, wenn sie den Turing-Test besteht, durch Lernen und Regeln menschliches intelligentes Verhalten so nachahmt, dass kein Unterschied feststellbar ist.
Dabei kann man sich trefflich streiten, ob künstliche Systeme wirklich autonom sein können.
Fest steht, dass sie Entscheidungen vorbereiten und Entscheidungen treffen. Sie sind damit in der Geschichte der Menschheit die erste Form, die uns auf unserem ureigensten Territorium gegenüber tritt. Bisher waren nur wir Menschen aufgrund unserer kognitiven Fähigkeiten in der Lage, Entscheidungen zu treffen.
Akzeptieren wir Entscheidungen superschneller Rechner?
Autos können autonom fahren, Maschinen autonom Fertigungsprozesse steuern oder Assistenz im Bereich Pflege sein. Autonom heißt, Maschinen treffen Entscheidungen. Wenn das so ist, sind sie Subjekte einer Ethik.
Akzeptiert unsere Gesellschaft Entscheidungen von autonomen Systemen, auch wenn Menschen zu Schaden kommen oder Nachteile daraus erwachsen? Sind sie dann auch haftbar für Ihre Handlungen?
Wer versichert so etwas? Zahlt solche KI dann auch Steuern, weil sie Geld verdient? Darf sie das Geld behalten und hat sie dann auch Rechte?
Ist es mit „fairer KI“ getan?
Die EU Kommission hatte bereits 2017 einen Entwurf für eine dritte - eine elektronische - Person formuliert und auch im Herbst desselben Jahres erste "AI ethical guidelines" veröffentlicht. Darin wird, etwas schwammig, von der Notwendigkeit zu "fairer KI" gesprochen.
2007 stellte Steve Jobs das iPhone vor, das unser Leben und unsere Wirklichkeit grundlegend verändert hat.
Der Chat mit einem Bekannten ist bereits jetzt so real für uns wie ein direktes Gespräch. Wir schauen im Schnitt 50mal pro Tag auf unser Smartphone, junge Menschen öfter als ältere.
Beschleunigt sie Wissen oder Manipulieren?
Chatbots, moderne Bildverarbeitung und vorsortierte Google Antworten können unsere Entscheidungen manipulieren, ohne dass wir "Wirklichkeit" von "Fake" unterscheiden können. Doch wir können uns dadurch auch in nie gekannter Weise Wissen verschaffen und z. B durch Augmented Reality Autos reparieren, ohne dass wir das Handbuch auswendig lernen müssen.
Wie bereits in den anderen industriellen Revolutionen verändern sich Arbeit, deren Verteilung, Qualifikationsanforderungen und Produktivität. Welche Rolle spielt der Mensch, wenn nicht nur Steuerberater, Juristen und Software-Entwickler durch KI ersetzt werden?
Gibt es eine Grenze, an der wir stehen bleiben wollen? Was kommt nach Alpha Go und Alexa?
Dient sie der Freiheit oder der Diktatur?
KI kann uns unglaubliche Freiheit bringen und vielleicht auch das bedingungslose Grundeinkommen, sofern wir unseren Platz in diesem Kontext definieren können.
Wenn laut Demokratie-Index nur noch ca. 12 Prozent der Staaten zu den reinen Demokratien zählen - mit abnehmender Tendenz, dann müssen wir uns auch fragen, welche Beiträge KI zu Freiheit oder ihrer Beschränkung, zu Diktatur und Unterdrückung liefern kann.
Zurzeit teilen wir auf Facebook, Whatsapp, Instagram etc. viele unserer privaten Daten - auch weil wir darauf vertrauen, dass uns der Staat vor Missbrauch schützt und aufgrund dieser Daten nicht gegen uns vorgeht. Nirgends steht geschrieben, dass dies so bleiben muss.
Wie bewerten wir Chancen, wie Risiken?
Beispiele in der Welt und Europa zeigen uns, dass sich Gesellschaften auch anders entwickelt können. Nicht nur in China entstehen Züge einer digitalen, KI-basierten Diktatur.
Demgegenüber stehen Produktivitätsgewinne, die nur mit der Einführung der Dampfmaschine (oder der Erfindung des Rades) vergleichbar sind, und nicht nur medizinische Fortschritte z. B. in der Prothetik, der medizinischen Diagnostik und der Pflege möglich machen.
Die Entwicklung hat auch das Potenzial, neue hierarchiefreie Diskussions- und Demokratieformen hervorzubringen. Künstliche Intelligenz stößt uns auf ganz altbekannte Fragen nach der Bedeutung des Menschseins und nach dem, "was uns ausmacht".
Die digitale Revolution gestalten - eine evangelische Perspektive
Kirche sollte hierzu deutlich hörbar sein und Orientierung geben, steht jedoch aufgrund der Breite, der Tiefe und der Entwicklungsgeschwindigkeit des Themas vor der besonderen Herausforderung, sich auch im fachlich kompetenten Umfeld zu behaupten.
Deshalb hat der Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer das Potential neuer Technologien zu seinem Schwerpunktthema gemacht.
Es geht ihm darum, über Chancen und Gefahren der digitalen Revolution zu informieren, den Austausch untereinander und die eigene Selbstvergewisserung anzustoßen, in die Evangelische Kirche hineinzuwirken und christlich geprägte Wertvorstellungen in die gesellschaftliche Ethikdebatte einzubringen.
Während dieses Prozesses planen wir, einen Kriterienkatalog als Handreichung für den Einzelnen zum Einsatz digitaler Technologien zu erarbeiten.
lehrt als Professor „Unternehmens- und Wirtschaftsethik“ in Bonn,