Magdeburger Stadtmission

Wandel ist beständig

 

Im Herbst 2018 lernte ich die Stadtmission kennen. Bert Renzenbrink, der Vorsitzende des Senior Consulting Service Diakonie, hatte mich zu einem Gespräch nach Magdeburg eingeladen. Anfangs ahnte ich nicht, welche dynamische und spannende Aufgabe sich daraus entwickeln sollte.

Zunächst schien sie eindeutig: Das Kuratorium benötigte innerhalb von zehn Tagen einen eingetragenen Vorstand, der die Geschicke der Stadtmission in schwierigem Fahrwasser leiten sollte. Mehr noch: es wurde ein Branchenkenner gesucht, der die Assets an einen anderen diakonischen Träger übertragen sollte.

Das hätte bedeutet, so meine „Sicht der Dinge“, das Diakonie-Unternehmen de facto auszuhöhlen und mittelfristig zu liquidieren. Eine 135jährige Tradition wäre zu Ende gegangen. Der Konjunktiv deutet schon darauf hin, dass es anders kam.

Schnell starten in kurze sechs Monate

Erst einmal lag es an mir - wie in solchen Fällen üblich - schnell zu entscheiden, auf der Basis von "5%-Wissen" der Geschäftsdaten und eines engen Zeithorizontes, aber mit gutem Bauchgefühls angesichts meines künftigen Auftraggebers. Zum Risiko bereit, sagte ich zu!

Stadtmission Magdeburg Eingang

In der Belegschaft schlug mir als Externem Skepsis wie Erwartungen entgegen. Interim-Management und Diakonie sind ein komisches "Gebräu". Anderseits wünschten sich die Mitarbeiter*innen dringend einen "Anwalt", auch gegenüber dem Kuratorium.

Spannende Wochen starteten. Sofort tauchte ich in die operativen ToDos ein und wurde Teil der Magdeburger Diakonie, ohne mich von ihr vereinnahmen zu lassen. Ein "positiver Zwiespalt" entstand, der mir erlaubte, recht schnell die wirtschaftlich-personelle Situation zu erfassen.

Frage klären: sanierungsfähig oder nicht?

Ein jeder der sozialen Dienste war außer Tritt geraten. Nirgendwo stand der Ertrag in einem gesunden Verhältnis zum Aufwand. Und doch hielt ich die Stadtmission für sanierungsfähig, allerdings mit harten Einschnitten.

Von dieser frühen Einschätzung wollte das Kuratorium nichts wissen. Es erinnerte mich an meinen Auftrag, an dem ich auch konsequent weiterarbeitete. Das bedeutete, Unterlagen zu erstellen und vertraulich zu verhandeln. Doch die Gespräche scheiterten. Es fand sich keine annehmbare Lösung, die Arbeitszweige der Stadtmission auf einen anderen diakonischen Dienstleister übergehen zu lassen.

Zehn Punkte festlegen: für eine gewandelte Stadtmission

Jetzt wurde ich gebeten, alternativ einen Sanierungsplan zu erarbeiten. Ihm stimmte das Kuratorium Anfang März 2019 zu. Danach endete die  Interim-Geschäftsführung im Namen des Senior Consulting Service Diakonie. Seither setze ich ein 10-Punkte-Konzept um - nunmehr gemeinsam mit Mitarbeiter*innen meiner Firma DHConsulting.

Wir wollen die anerkannte fachliche Qualität erhalten und sie zugleich durch eine neue kaufmännisch-unternehmerische Struktur wirtschaftlich absichern.

Fachliche Qualität erhalten

Die Magdeburger Stadtmission unterhält ambulante und stationäre Dienste für Senioren sowie für psychisch kranke Menschen. Sie beteiligt sich an der ökumenischen Bahnhofsmission und führt die sechs Kindertagesstätten des Kirchenkreises.

Stadtmission Magdeburg Tafel

Im Beratungszentrum stehen Psychologen und Sozialtherapeuten Familien bei, betreuen Menschen mit Suchtproblemen (Alkohol, Medikamente, Glückspiele, Computerspiele, Drogen, Nikotin), bieten sexualpädagogische Gruppenarbeit und begleiten rückkehrwillige Ausländer.

Organisation schrittweise ändern

Künftig werden sich die Teams selbstständig und eigenverantwortlich organisieren. Dazu sollen sich die Mitarbeiter*innen mit digitalen Mitteln besser vernetzen, beispielsweise temporäre Arbeitsgruppe bilden, um einzelne Aufgaben zu lösen. Der Vorstand und die Geschäftsstelle koordinieren vor allem bereichsübergreifende Themen.

Die Nutzung eigener und fremder Immobilien wurde kritisch geprüft. Er wird keine Stadtmissionszentrale geben. Vielmehr mieten die Dienste je nach Aufgabe geeignete Räume im Stadtgebiet. Eine neuzugründende Inklusionsfirma übernimmt Catering und Hauswirtschaft.

Stadtmission Magdeburg

Ehrenamtliche Gemeindediakonie einbeziehen

Seit 1884 trägt ein Verein die diakonische Arbeit Magdeburgs. Derzeit hat er 80 Mitglieder. Er soll sich als Plattform ausweiten, um das gesellschaftliche Engagement der evangelischen Gemeinden des Kirchenkreises stärker einzubinden, insbesondere  ehrenamtliche Initiativen mit hauptamtlichen Dienstleistungen zu koordinieren.

Unser Auftrag veränderte sich also in nur sechs Monaten radikal. Womit sich wieder einmal bestätigt: "Nichts ist beständiger als der Wandel".


David Hirsch
Jena/Magdeburg im Juni 2019
 
 
David Hirsch
Master of Arts (M.A.),
Diplom-Verwaltungswirt (FH)
Organisationsberater, Mitglied des SCSD
 
Inhaber der DHConsulting Jena