Neuerscheinung Dezember 2024

Gott im Quartier

Sozialraumorientierung und Spiritualität

 
herausgegeben von
Johannes Eurich, Georg Lämmlin, Gerhard Wegner
in Kooperation mit Heinz Gerstlauer
 
erschienen
im Nomos Verlag, Baden-Baden und
bei der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig
 
als Band 8 der „SI-Diskurse|Gesellschaft-Kirche-Religion“
des Sozialwissenschaftlichen Instituts der
Evangelischen Kirche Deutschlands
 
unterstützt
vom Diakonie-wissenschaftlichen Institut,
dem Senior Consulting Service Diakonie und
der Lechler Stiftung Stuttgart
 
358 Seiten, 84,00€

 

 

Kirchengemeinden engagieren und vernetzen sich in den sozialen Räumen ihrer Nachbarschaft – allein oder gemeinsam mit Diakonie und Caritas. Seit den 70ziger Jahren haben sie für die Teilhabe am kommunalen Gemeinwesen konzeptionell und praktisch durchdachte Modelle entworfen, umgesetzt und etabliert, stellen Johannes Eurich, Georg Lämmlin und Gerhard Wegner anerkennend fest.

Religiöse Ressourcen des Sozialraums

Ihnen ist es gelungen, dadurch ihr soziales, gesellschaftliches und politisches Profil zu schärfen, Gewicht und Einfluss zu gewinnen – und das nicht nur in eigenen, sondern auch in fremden Augen. Doch das genuin eigene religiöse Profil geriet an Rand der Aktivität, verblieb im kirchlichen Restraum der Gottesdienste und Andachten, dort wo er für Stadt und Land nicht bedeutend ist, geben die drei Herausgeber zu Bedenken

An dieser Stelle setzen die Texte dieses Bandes an und versuchen – in aller Vielfalt, ja Widersprüchlichkeit, und nicht in allen Texten gleichermaßen – in der Orientierung auf den und im Stadtteil transzendentale Bezüge deutlich zu machen. In Wolfgang Hintes fünf methodischen Prinzipien der Sozialraumorientierung spielt die Konzentration auf die konkret vorhandenen Ressourcen eine zentrale Rolle. Die Beiträge lassen sich in unterschiedlicher Weise als Suchbewegungen einer Antwort auf die Frage lesen, welche Rolle religiöse Ressourcen dabei spielen (können).

Herausgeber und Autoren führen im Sammelband eine Debatte fort, die sie auf der Tagung „Sozialraumorientierung und Spiritualität: Eine starke Verbindung“? im Stuttgarter Hospitalhof (September 2023) begonnen hatten.

Es liegt ... auf der Hand, dass sich kirchliche Praxis zwar im sozialen Engagement verwirklichen kann, aber darauf nicht reduziert ist. Vielmehr geht es um die Breite vieler vom christlichen Glauben her motivierter Kommunikationsformen, die in den letzten Jahren gerne mittels der Formel von der „Kommunikation des Evangeliums“ zusammen gedacht werden ... Das bedeutet z.B., dass sich religiöse Kommunikation in einer Kirchengemeinde und ihr soziales Engagement im Stadtteil durchdringen und so gegenseitig erneuern ...
... Verfolgt man dieses Interesse weiter, dann stellen sich eine ganze Reihe von Fragen ein. Wie lässt sich ein Gemeinwesen überhaupt spirituell, religiös, christlich, ethisch deuten, rahmen, öffnen? ... Wie sind religiöse Akteur:innen in das sozialräumliche Gefüge eingebettet und welche Interessen verfolgen sie?
... Gibt es einen Diskurs über eine Sozialethik der Sozialraumgestaltung, d.h. mehr oder minder öffentliche Bewertungen der Haltungen von Akteur:innen und die Herausarbeitung von entsprechenden Leitbildern (z.B. eines inklusiven oder altersgerechtenStadtteils)?

Der Sozialraum als spiritueller Erfahrungsraum

Ulrich Beuttler
Gott und der Raum – eine systematisch-theologische Neukonzeption aus phänomenologischen Raumbegriffen

Die Aufwertung des religiösen Raumes und der damit einhergehenden „Lokalisierung“ von Erscheinungen und Anwesenheit Gottes an solchen Orten intensiver religiöser Erfahrung, stellt eine systematisch-theologische Grundfrage, nämlich, welche Rolle der Ort und der Raum für das Verständnis der Präsenz Gottes spielen?
... Wir brauchen keinen homogenen, isotropen, geometrischen Raum, sondern einen nicht homogenen, nicht isotropen, gegliederten Raum, der Anwesenheit und Nähe ebenso wie Ferne und Absenz zu denken ermöglicht, der weder Gott verräumlicht, noch den Raum vergöttlicht ...
... Theologisch gesagt: Was eine Kirche ist, nämlich Ort des Gottesdienstes und der Gottesbegegnung, bringt der Raum nach innen und außen durch seine Präsenz zur Geltung: Ort der Transzendenz Gottes und zugleich Raum der Nähe und Gemeinschaft von Gott und Menschen. Es ist ein Raum, den es gar nicht „gibt“, er ist komplex ineinander geschichteter Ort der Gegenwart Gottes in der Welt, also eine Heterotopie, wie Foucault sagt, ein Gegenort, ein Andersort, der mehrfache Raum der Gottespräsenz, der je da und je anders da ist.

Andreas Lob-Hüdepohl
Spuren Gottes? Sozialräume und ihre „Zeichen der Zeit“

Sozialräume gelten längst als Orte der Gottesbewährung – als Orte also, an denen sich das Vertrauen von Christ:innen in die heilsam-befreiende Gegenwart des biblischen Gottes in ihrem diakonischen Handeln praktisch bewährt, egal ob als Einzelne oder als kirchliche Gemeinschaft. Die Zukunft der Kirchen, so hatte der Jesuitenpater und Widerstandskämpfer Alfred Delp noch kurz vor seiner Hinrichtung in Berlin-Plötzensee apodiktisch konstatiert, hinge neben einer konsequenten Ökumene vor allem von ihrer konsequenten Rückkehr zum Dienst am Menschen, also zur Diakonie, ab ...
... Im Protestantismus etwa wendet sich die Programmatik einer Öffentlichen Theologie gegen eine individualistisch-pietistische Verengung christlichen Glaubens, indem sie die Relevanz des Evangeliums für die humane Gestaltung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zur Geltung bringt.
... Wo sich in geschichtlich-gesellschaftlichen Bezügen solidarische Praxis den Nöten aller Art zu widersetzen beginnt und auf ein humanes Leben für alle ausgreift, dort offenbaren sich Spuren der Gegenwart Gottes in diesen „Zeichen der Zeit“.

Gerhard Wegner
Kraftfelder des Geistes, Suchbewegungen nach einer Spiritualität der Stadtteilgestaltung

Für viele Zeitgenoss:innen mag die Frage nach der Möglichkeit einer spirituellen – religiösen, sakralen, theologischen – Erfahrbarkeit eines gewöhnlichen Stadtteils einer modernen, westlichen Großstadt von vornherein seltsam erscheinen. Zu sehr ist ihnen die säkulare Qualität der modernen Stadt geradezu ins Herz geschrieben und prägt auch sonst ihren Lebensstil ...
... Im Vordergrund steht die ethisch-ästhetische Qualität des Sozialraums, auf die ggf. das sakrale Bauprojekt aufsetzt. Gott wohnt im Stadtteil – und nur sonntags in seinem Haus ... Im Fokus stehen soziale, sinnliche Räume – ob virtuell, real oder hybrid –, in denen und mit denen die Menschen etwas machen und in denen etwas mit ihnen geschieht ...
... Diese Raumerfahrungen sind gut mit der Metapher eines „Kraftfeldes“ zu beschreiben. Durchaus ähnlich wie ein solches in der Physik analysiert wird – und nicht nur symbolisch, sondern sinnlich-real ...
... Nun liegt es auf der Hand, dass eine Deutung der sozialräumlichen Situationen im Hinblick auf die Gegenwart oder die Abwesenheit des Geistes Gottes allein noch keine politische Gestaltungskraft entwickeln kann. Sie muss im Gemeinwesen von der Kirche kommuniziert und d.h. vor allem öffentlich inszeniert werden.

Claudia Schulz
Vielfältige Optionen gegen die Leere, Interprofessionelle Raumerschließung als spirituelle Entwicklung kirchlicher Regionen

Das Evangelium ist abhängig davon, dass jemand es für sich als bedeutsam erlebt und mit anderen kommuniziert. Der heilige Raum wird erst heilig durch die Menschen, die eine Transzendenzerfahrung mit diesem Raum verknüpfen ...
... Dafür braucht es aber nicht unbedingt einen regelmäßigen Gottesdienst in der Dorfkirche, es genügen wenige Gottesdienste, die dann im Dorfgeschehen ihren Platz behalten, etwa rund um Erntedank. Hier lassen sich lokale Bräuche und ein Gottesdienst in der Dorfkirche zusammenführen, es entstehen Synergien, mit denen letztlich „wieder mehr Evangelium zu den Leuten kommt ...“

Sabrina Müller
Connected: Das Smartphone als Portal für Alltagsspiritualität

Das Smartphone kann nicht nur für die Lebensorganisation, sondern auch für die eigene Alltagsspiritualität und den Transzendenzbezug genutzt werden. Es eröffnet Räume für religiöses Erleben ...
... So gibt es unzählige Mindfulness-, Spiritualitäts- und Meditationsapps, Apps für die tägliche Besinnung, für die Lektüre Heiliger Schriften aus verschiedenen Religionen, Apps für Hauskreise, für Kirchgemeinden ...
... Ein ... noch viel zu wenig beachtetes Problem betrifft die Exklusion und Marginalisierung bestimmter Gruppen: Personen ohne Zugang zu modernen Technologien oder mit begrenzten digitalen Fähigkeiten sind von der Nutzung dieser Plattformen ausgeschlossen ...

Die religiöse Topografie des Sozialraums

Martina Bär
Zwischen Selbstfindung und Dialog, Sakralbauten im spätmodernen Sozialraum

Wenn ich ... das Verhältnis von Architektur, Sakralbauten im Sozialraum und Spiritualität beleuchte, werde ich zunächst mit grundlegenden Überlegungen beginnen und diese sodann mit drei architektonischen Beispielen konkretisieren ...
... Dabei werde ich den Chicagoer Sakralbau des Bauhaus-Direktors Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969), die Ökumenische Kirche Maria-Magdalena in Freiburg im Breisgau von Susanne Gross und den sich im Bau befindenden multireligiösen Sakralbau House of One“ in Berlin des Berliner Architekturbüros Kuehn Malvezzi vorstellen und vergleichen ...
... Das House of One will ... ein Sakralbau sein, der das interreligiöse Moment und den Dialog mit der säkularen Stadtbevölkerung sucht und eine wohlüberlegte theologische Intention besitzt ... Eine neue Baugattung insofern, als dass dieser Sakralbau weder eine Kirche noch eine Moschee noch eine Synagoge sein wird, sondern ein Sakralgebäude des 21. Jahrhunderts, wie ein Mitglied der Planungsgruppe formulierte.

Bert Daelemans
Sakrale Raumerfahrung, Kirchengebäude als mystagogischer Raum

Mystagogie, definiert als Einführung in das Geheimnis, ist viel mehr als ein vorübergehender, katechetischer Initiationsprozess, der abgelegt werden kann, sobald man „erwachsen“ ist. Es ist vielmehr ein lebenslanger, fortlaufender und nie endender Prozess, einfach weil ein Mysterium per definitionem nie ein für alle Mal „eingefangen“ oder „bewältigt“ wird ...
... Die Frage ist nur, wie ein Kirchenbau diesen Prozess der Entfaltung eines Geheimnisses begleiten kann, das zunächst verborgen und anonym ist, aber im besten Fall nach und nach seinen Namen und sein Gesicht zeigt. Oder auch nicht ...
... Je nach dem Grad des Glaubens und des Engagements des Besuchers konnten wir vier Schwingungszustände in dem mystagogischen Prozess skizzieren, der sich allmählich und organisch entfaltet und die Besucherin immer tiefer in das Geheimnis einführt: den synästhetischen, kerygmatischen, ekklesiologischen und eschatologischen Raum.

Anna Körs
Religiöse Gemeinden als (inter-)religiöse und gesellschaftliche Akteure im urbanen Sozialraum

Die Verbindungen zwischen Religion und Stadt beschäftigen verschiedene Disziplinen, blieben in der Religionssoziologie wie auch in der Stadtsoziologie jedoch lange Zeit weitgehend vernachlässigt ...
... Inzwischen hat sich empirisch gezeigt, dass moderne Gesellschaften von der Gleichzeitigkeit zweier Pluralisierungsprozesse geprägt sind: und zwar von der Koexistenz von sowohl verschiedenen religiösen Weltanschauungen als auch von säkularen und religiösen Diskursen und Institutionen. Dies gilt insbesondere für Städte, in denen beide Prozesse – religiöse Pluralisierung und Säkularisierung – typischerweise noch verstärkt stattfinden ...
... Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse einer repräsentativen Gemeindestudie aus Hamburg vorgestellt ... Je mehr die Gemeinden über gesellschaftliche Kontakte verfügen, desto eher sind sie auch an interreligiösen Kontakten und Netzwerken beteiligt. Die Gemeinden sind somit in ihrem interreligiösen Handeln durch die eigene Position im religiösen Feld und ihre gesellschaftliche Integration beeinflusst, die religiöse Einstellungen überlagern können.

Olaf Kühne
Religion und Landschaft – Grundzüge, Ausprägungen und offene Fragen eines komplexen Verhältnisses
 
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit einem Thema, das sich im Spannungsfeld von Soziologie und Geographie bewegt. In der Soziologie wies das Thema Religion bereits bei den Klassikern ... eine zentrale Bedeutung auf. Nach einer Phase relativ geringer Präsenz in den 1970er und 1980er Jahren wird ihm seit den 1990er Jahren wieder eine recht große Aufmerksamkeit zuteil.
Dagegen hat das Thema Religion in der Geographie nie eine solchermaßen zentrale Bedeutung erlangen können. Die Religionsgeographie weist aktuell eine Bedeutung auf, die hinter anderen „Bindestrich-Humangeographien“ (wie der Stadt-, Wirtschafts- oder Sozialgeographie) zurücksteht. Nichtsdestotrotz ist sie – nicht allein im internationalen, sondern auch im deutschsprachigen Kontext – präsent.
Synthetisierende Untersuchungen in der Landschaftsforschung blieben hingegen weitgehend aus. Es dominieren spezifische Untersuchungen zu einzelnen Religionsgemeinschaften, Regionen, Objekten und Objektkonstellationen, häufig in Kombination mit bestimmten zeitlichen Rahmungen ...
...  Die vormoderne Gesellschaft lässt sich als stark religiös durchwoben beschreiben ... Die Modernisierung der Gesellschaft umfasste nicht zuletzt das Bemühen um die Trennung des Sakralen und des Profanen. Religion wurde so zu einem teilgesellschaftlichen Funktionssystem transformiert. Damit war sie außer Standes gesetzt, allgemeinverbindliche moralische Standards in der Gesellschaft zu setzen und durchzusetzen.
Im Zuge einer Postmodernisierung der Gesellschaft werden Mechanismen der Kontingenzbewältigung aktualisiert, die sakrale Ursprünge haben, schließlich lässt sich die Gegenwart als eine Zeit „der tiefempfundenen moralischen Ambiguität [beschreiben]: sie offeriert eine nie zuvor gekannte Entscheidungsfreiheit und befängt uns gleichzeitig in einem nie gekannten Zustand der Unsicherheit.
 
Interaktions- und Engagementformen im Sozialraum
 
Frank Eckardt
Vom Sakral- zum Sozialraum: Kirchen im Gelsenkirchener Abstiegskampf
 
Wo der Prozess der Deindustrialisierung wie in Gelsenkirchen seit den 1960er Jahren über Jahrzehnte verläuft, ist der Abstiegskampf längst zum alles prägenden Prozess geworden, der seine eigene Dynamik entwickelt hat. In der internationalen Stadtforschung wird dies als urban decline problematisiert ...
... Erfahrungen aus dem Arbeitsleben, die Zersplitterung der Freizeitaktivitäten, der Bindungsverlust der Kirchen, die Diversität der kulturellen Hintergründe und der Zerfall nachbarschaftlichen Zusammenhangs äußern sich in unterschiedlicher Weise, aber zeigen insgesamt an, dass Verinselung und Vereinsamung die Konstruktion von gemeinsamen Vorstellungen über das Zusammenleben, Normen des Miteinanderlebens, Narrative des Ortes und somit eine kollektive Handlungsfähigkeit verunmöglichen ...
...  Kirche, Nachbarschaft und der FC Schalke 04. Für viele Menschen wurden in diesem Dreieck gemeinsame Werte verhandelt, bestätigt und in alltagspraktische Normen umgesetzt. Diese Pfeiler der Soziabilität der Stadt haben einen langen Erosionsprozess hinter sich ...
 
Felix Eiffler
Geteilte Stadt – Geteilte Kirche? Soziale Segregation und kirchliche Vielfalt
 
Eine sowohl im Quartier verwurzelte als auch stadtweit und ökumenisch vernetzte kirchliche Ausdrucksform kann als Interessenvertretung der Bewohner:innen eines Viertels fungieren.
Sie kann auf die lokale Situation und ihre Herausforderungen aufmerksam machen, negative Entwicklungen benennen und Partner:innen für eine nachhaltige Quartiersentwicklung suchen.
Als öffentliche Kirche nehmen Quartiersgemeinden ihre prophetische Aufgabe u.a. in sozialpolitischer Hinsicht wahr und üben ausgehend von der Botschaft des Reiches Gottes Grundsatzkritik an gesellschaftlichen Entwicklungen aus. Um die skizzierte Aufgabe zu erfüllen, sollten quartiersförmige Gemeinden die kirchliche Organisationsform der Parochie wenigstens ergänzen, wenn nicht in einigen Fällen sogar ersetzen ...
... Eine Quartiersgemeinde entfaltet ihr Potential als Kirche in der Nähe, wenn sie in der Nähe zu den genannten Lebensfragen und im Dialog mit der Bibel ‚hart an der Realität‘ bleibt.
 
Johannes Eurich
Soziale Dienstleister und ihr Bezug zur Spiritualität, Diakonie und Caritas als religiöse Akteure im Sozialraum
 
Diakonie und Caritas sind vielerorts in einer Stadt präsent und leisten Soziale Arbeit aus einer christlichen Perspektive heraus in unterschiedlichen Handlungsfeldern. Auch wenn der Bezug zur Spiritualität nicht im Zentrum Sozialer Arbeit steht, kann diese doch als ein Anknüpfungspunkt für Spiritualität gelten ...
...  Für diakonische Akteure im Sozialraum bedeutet dies, nicht nur professionelle soziale Dienstleistungen anzubieten, sondern Mitarbeitende mit Blick auf eine religiöse Sprach- und Deutungsfähigkeit weiterzubilden und religiöse Formen (Andachten, seelsorgliche Begleitung etc.) vorzuhalten, freilich nicht im Sinne eines Aufdrängens oder gar Aufzwingens, sondern bewusst als Angebote für die Menschen, die dies wünschen und sich neue Deutungen erschließen möchten bzw. diese als hilfreich erleben ...
...  Wichtig ist dabei, dass diakonische Einrichtungen selbst im Sozialraum vernetzt sind – etwa mit Kirchengemeinden wie mit Moscheegemeinden, um so aktiv an der Gestaltung von Gelegenheitsstrukturen für interreligiöse Begegnungen mitwirken zu können.
 
Sonja Keller
Soziale Kontexte wahrnehmen und verändern, Zum heuristischen Potenzial einer diakonischen und kirchlichen Sozialraumorientierung
 
Zu den Anknüpfungspunkten der Sozialraumorientierung gehören demnach die grundlegend territoriale Organisation der Kirche, das raumbezogene soziale Handeln in den Gemeinden und den diakonischen Anstalten sowie die ganz konkreten sozialräumlichen Angebote wie z.B. die Bahnhofsmission. Für das prosoziale kirchliche Handeln ist die christliche Praxis der Nächstenliebe leitend.
...  Das Interesse an Sozialräumen im Rahmen der Gestaltung gemeindlicher Arbeit lag auch bereits in den Konzepten der Gemeinwesendiakonie, der Citykirchenarbeit oder des missionarischen Gemeindeaufbaus vor. Die gegenwärtige Neuentdeckung des Sozialraums steht wiederum im Zeichen der Reduktion personeller und finanzieller Kosten, weshalb die aktuelle Wiederentdeckung der Sozialraumorientierung nur ansatzweise einer Orientierung an den Bewohnerinnen und Bewohnern verpflichtet ist ...
...  Die Sozialraumorientierung reagiert damit auch auf eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle von Kirche in der Gesellschaft und fragt, wie Kirche bzw. kirchliches Leben öffentlich und allgemein zugänglich gehalten werden kann ...
...  Die Auseinandersetzung mit konkreten Sozialräumen und den Anliegen der Bewohnerinnen und Bewohner fordert traditionelle, einseitig binnenkirchliche Verständnisse von parochialen Strukturen und ihren Aufgaben heraus. Hauptamtliche und Gemeindevorstände sind in einer sozialräumlich orientierten Gemeindegestaltung darauf angewiesen, Perspektiven von Menschen am Rand oder außerhalb der Gemeinde sowie der Vertreterinnen und Vertreter lokaler Einrichtungen und Initiativen zu erfragen.
 
Frank Schulz-Nieswandt, Philipp Thimm und Julia Beideck
Die Genossenschaft im Sozialraum und der Sozialraum als Genossenschaft
 
Das Spektrum dieser morphologischen Abhandlung ist breit gefächert: Es geht um die Genossenschaft als Einzelwirtschaftsgebilde (auch für soziale und kulturelle Zwecksetzungen) im Sozialraum und es geht um die Möglichkeit, einzelne Quartiere oder gar den ganzen Sozialraum in einem kommunalen Sinne (als Ort der Daseinsvorsorge) als genossenschaftsartiges Gebilde zu verstehen ...
...  Die Genossenschaft ist eine generative Form und bringt das Miteinander hervor, sie ist sodann aber auch Ausdrucksgestalt eben dieses Miteinanders. Ihr Kern ist die Gegenseitigkeit als solidarisches Miteinander ...
... Besonders bedeutungsvoll ist aber die Bildung und Entwicklung expliziter Sozialgenossenschaften. Sie widmen sich schließlich unmittelbar sozialpolitischen Themen.
... Bedeutsam sind neuere hermeneutisch-phänomenologische Ansätze im Verstehen des Wohnens geworden. Damit werden im Wohnumfeld lokale, sorgende Gemeinschaften als Funktion von „Caring Community-Building“ im Kontext regionaler professioneller/formaler Infrastrukturen diskutiert.
...  Regionale Landschaften von vernetzten Gebilden können die Genossenschaft auch als Prinzip nutzen, um eine integrative Dachorganisation zum Zwecke der nachhaltigen und effektiven Vernetzung der Gebilde auf einer Meta-Ebene zu bilden (sogenannte Plattform-Genossenschaften) und um dergestalt die Landschaft abzubilden.
 

Mittendrin im Sozialraum Kirche und Diakonie

SENIOR CONSULTING SERVICE DIAKONIE BIETET AN: BERATUNG, ENTWICKLUNG UND BEGLEITUNG VON PROJEKTEN